Sonntag, 14. Mai 2017, 08:30 Uhr, Tübingen: Holzmarkt – Kundgebung
Am 14. Mai 2017 soll wieder einmal der vom Arbeitskreis Tübinger Verbindungen (AKTV) veranstaltete „Bürgerfrühschoppen“ vor der Alten Burse stattfinden. Dieser stellt ein identitätsstiftendes Event für Tübinger Verbindungen dar. Man kommt zusammen, trinkt Bier, isst Bratwürste und gibt sich bürgernah. Der seit 2009 stattfindende Bürgerfrühschoppen wurde als Ersatz für das jährliche „Maisingen“ der Tübinger Verbindungen etabliert, da jenes immer wieder von starken Gegenprotesten begleitet und gestört wurde. Beim „Maisingen“ zogen die Korporierten in einem Fackelmarsch in der Nacht auf den 1. Mai vom Österberg zum Tübinger Holzmarkt. Dabei wurden deutschtümliche Lieder gesungen.
Beim „Bürgerfrüschoppen“ 2015 lobte Boris Palmer, welcher seit Jahren Begrüßungsworte bei selbigem spricht und ein äußerst gutes Verhältnis zu den Tübinger Verbindungen pflegt, dass es in diesem Jahr zu keinen Störungen durch Verbindungskritiker_innen gekommen sei. Dies zeige laut Palmer, dass der „Bürgerfrühschoppen“ nun zur Normalität gehöre. Palmer betreibt diese Normalisierung von Studentenverbindungen im Tübinger Stadtbild nicht nur durch seine Unterstützung des „Bürgerfrühschoppens“, sondern auch, indem er 2016 eine Zusammenarbeit des Stadtmuseums und des AKTVs herstellte, um den Verbindungen eine Ausstellung in eben jenem zu ermöglichen, welche diese sogleich zur eigenen Selbstdarstellung nutzten. Wer in dieser Ausstellung nach einer kritischen und ausgewogenen Betrachtung von Verbindungen suchte, suchte vergeblich.
Dieser scheinbaren Normalität möchten wir uns nun vehement entgegen stellen.
Bei studentischen Verbindungen handelt es sich in der überwiegenden Mehrzahl immer noch um reaktionäre und elitäre Strukturen.
Auf der einen Seite tragen sie dazu bei, die Machtverhältnisse innerhalb unserer kapitalistischen Gesellschaft zu stabilisieren, indem sie als Karrierenetzwerke fungieren, durch welche die Zusammensetzung der herrschenden Eliten geschlossen und konstant gehalten wird. Auf der anderen Seite sind Verbindungen Orte von Sexismus, in denen an veralteten Männer- und Frauenbildern festgehalten wird. Außerdem handelt es sich bei Studentenverbindungen um Institutionen, in denen ihre Mitglieder durch Rituale und Strafen diszipliniert und in ganz bestimmte Rollen eingepasst werden. Es geht um die Vermittlung von patriotischen, sexistischen und auch rassistischen Werten. Außerdem soll die Bereitschaft hergestellt werden, sich als Einzelne_r in jedem Fall der Gruppe unterzuordnen, auch wenn es den eigenen Bedürfnissen und Gefühlen widerspricht.
Verbindungen festigen also sexistische, rassistische und kapitalistische Machtverhältnisse. Gleichzeitig sind ihre Inhalte oftmals noch reaktionärer als die gesamtgesellschaftlichen Zustände selbst. Dadurch tragen sie einen Teil zum derzeitigen Rechtsruck in Deutschland bei. Damit stehen sie dem Projekt einer emanzipatorischen und gerechten Gesellschaft nicht nur entgegen, sondern stehen viel mehr für eine Zuspitzung von gesellschaftlichen Missständen wie sozialer Ungleichheit, Wohnungsnot und Diskriminierung.
Deshalb ist es wichtig, sich den Studentenverbindungen entgegenzustellen und ihren „Bürgerfrühschoppen“ zu blockieren.
Kommt gerne verkleidet, bringt Dinge mit, um euren Protest auszudrücken und vergesst nicht, tragbare Radiogeräte mitzubringen, damit wir dem „Bürgerfrühschoppen“ ordentlich auf die Nerven gehen können.
Kommt zur Kundgebung, seit laut und bunt!
Lasst elitäre und reaktionäre Verbindungen nicht zur Normalität werden!
Für das Projekt einer solidarischen und emanzipatorischen Gesellschaft!