+++Beteiligung von 70 Personen am Blockadekonzept+++lange Zeit Aufrechterhaltung der Blockade des Haupteingangs+++Burschis schleichen kleinlaut auf eigenes Fest oder flüchten vor Antifas+++Proteste werden weiter anschlussfähig und zeigen Wirkung+++Bullen überzeugen durch überzogene Maßnahmen+++
Am Sonntag, den 12. Mai 2019 ab 11:00 Uhr war der vom „Arbeitskreis Tübinger Verbindungen“ (AKTV) veranstaltete sog. „Bürgerfrühschoppen“ auf dem Platz vor der alten Burse in der Tübinger Innenstadt angekündigt. Der „Bürgerfrühschoppen“ löste im Jahr 2009 das jährlich vom 30. April auf den 1. Mai statt findende Maisingen der Verbindungen in Tübingen ab.
Dagegen ereignete sich zum wiederholten Male vielfältiger, direkter Protest um für soziale Gleichheit und eine solidarische Gesellschaft einzutreten. Der Hauptzufahrtsweg zur alten Burse war zeitweise durch Menschen blockiert. In der Entwicklung als auch in der Durchführung der Proteste kann der Tag als politischer Erfolg betrachtet werden. Über den gesamten Vormittag hinweg beteiligten sich ca. 100 Personen am Protest.
Ab 10:00 Uhr versammelten sich am Hauptzugangen zum Platz vor der alten Burse insgesamt 70 Personen, um ihrem Protest gegen studentische Verbindungen in Hör- und Sichtweite Ausdruck zu verleihen. Die Polizei versuchte schon zu Anfang dies zu unterbinden. Sie hielten selbst sämtliche Eingänge zum Platz mit mehreren Einsatzkräften besetzt und versperrten die Zufahrt in der Neckargasse mit zwei Bullenwannen. Man käme fast auf die Idee, die Cops wollten das erfolgreiche Blockadekonzept des Vorjahres aufgreifen und jenes dieses Mal selbst umsetzen. Da, wie sich später auch an diesem Tag wiederholt herausstellte, auf staatliche Behörden wenig Verlass ist, nahmen die anwesenden Antifaschist*innen die für Tübingen auffällige Bullenpräsenz nicht zum Anlass untätig zu bleiben und brachten sich anschließend selbst ins Spiel. Unter Parolen wie „Rechten Eliten keine Plattform bieten“ oder „Rassistisch, sexistisch, ekelhaft – Das ist eine Burschenschaft“ bezog man vor dem geplanten Haupteingang Stellung um den Zugang zu blockieren, nachdem eine dynamische Spontandemonstration via Mühlstraße die Cops vor organisatorische Herausforderungen gestellt hat, in der Folge sie eine Polizeikette aufgeben und somit zulassen mussten, dass die Antifaschist*innen sich entschlossen am Haupteingang breit machen konnten.
Die Burschis unterdessen mussten umständliche Umwege in Kauf nehmen und schlichen sich förmlich auf ihr eigenes Fest. Einige entdeckten an diesem Tag auch gänzlich neue Qualitäten ihrer hübschen Anzugsschüchen: Nämlich das diese sich auch gut als Laufschuhe eigneten, wenn deren Träger mit der Entschlossenheit so mancher Antifaschisti*innen in Begegnung kamen. Eine Gruppe Burschis war nach einer Begegnung mit der Blockade so unmotiviert, dass diese sodann postwendend ihren Heimweg zurück in die sichere Stube antraten.
Bei allen Erfolgen ist es am 12.05. jedoch nicht gelungen, aufgrund niedrigerer Beteiligung an der Mobilisierung im Vergleich zum Vorjahr, beide größeren Zufahrtswege zum Bursaplatz widerständig zu bespielen. Eine für Tübingen nicht gerade rühmliche Entwicklung bei der Beteiligung antifaschistischer Mobilisierungen, weist an diesem Tag und auch in Zukunft sicherlich noch Potential nach oben auf!
Nichts desto trotz zeigt der kontinuierliche Protest seine Wirkung und Erfolge: Die Reaktionären können nicht mehr auf die musikalische Begleitung regionaler Musikvereine zählen. Diese haben die Proteste aus dem letzten Jahr zum Anlass genommen, Ihre Unterstützung zurückzuziehen, so der Sprecher des AKTV nach Medienberichten. Die musikalische Untermalung rückwärtsgewandter Lieder kam am Sonntag somit nur aus der Dose. Die Proteste gegen die elitären Männerbünde in Tübingen finden im Gegensatz dazu weiter Anschluss und Zulauf. Das ITZ Theater zeigte Solidarität mit den Protestierenden selbst und Ihren Inhalten, indem es das Erkennungszeichen der bundesweiten Initiative von Kulturschaffenden gegen rechtes Gedankengut („Die Vielen“) in unmittelbarer Nähe zum Fest an Ihrem Haus präsentierte. Auch der Frauenbuchladen am Bursaplatz beteiligte sich, indem durch Bilder auf das bekannte Graffiti an der Wand einer Tübinger Burschenschaft erinnert wurde. An der Wand ist bis heute zu lesen: „ Mensur ist Menstruationsneid“. Aus den Fenstern des angrenzenden Evangelischen Stifts hingen Regenbogenfahnen als Zeichen gegen Homophobie und die Fahne der „Antifaschistischen Kirchen“. Gleichzeitig wirkte die Beteiligung der Bürger*innen aus Tübingen an dem Fest gleichbleibend gering wie jedes Jahr, sodass die Korporierten eher unter sich blieben. Doch dieser Umstand ist Ihnen wahrscheinlich gar nicht mal so unrecht.
Nicht verzichten mussten die neurechten Zöglinge hingegen auf die Anwesenheit des Oberbürgermeisters. Dessen Mitwirken an dieser Veranstaltung als bald nun keine*n mehr überraschen dürfte, passt diese nahtlos in den Kontext vergangener und jüngst getätigter rassistischen Äußerungen des selben.
Als Abschluss dieses in den überwiegenden Teilen positiven Résumés müssen noch einige wenige Worte zu den Cops verloren werden. Jene versuchten zum Abschluss der legitimen Proteste diese in gewohnter Manier zu kriminalisieren, nahmen einige Antifaschist*innen in Gewahrsam um Ihnen im Anschluss einen Platzverweis auszusprechen. Dieser Umstand erhöhte an diesem Tag und darüber hinaus unser Zusammengehörigkeitsgefühl als Antifaschist*innen und offenbarte eine spürbare Unsicherheit der polizeilichen Einsatzkräfte an diesem Tag.
Unserem Ziel, gemeinsam gegen rückwärtsgewandte Strukturen in Tübingen effektiv etwas entgegen zusetzten, sind wir abermals näher gekommen. Auf den gemachten Erfahrungen der vorangegangenen Jahre wurde erfolgreich aufgebaut und der Widerstand gegen rückwärtsgewandte Männerbünde weiter auf breitere gesellschaftliche Füße gestellt. Wir wollen es auch weiterhin nicht auf sich beruhen lassen und werden unsere antifaschistischen Proteste gegen Burschis weiterführen.
Rechten Eliten keine Plattform bieten!