23. Februar: Naziaufmarsch, städtisches Gedenken, Antifaschistische Aktion
Anlässlich der Bombardierung Pforzheims am 23. Februar 1945 durch die englische Luftwaffe soll dort dieses Jahr am Jahrestag der Bombardierung wieder ein faschistisches Gedenken stattfinden. Seit 1994 organisiert der Pforzheimer Verein „Freundeskreis ein Herz für Deutschland“ auf dem Wartberg jährlich eine Fackelmahnwache zum Gedenken an die Opfer der Bombardierung. Der Naziaufmarsch wird jährlich von bis zu 150 TeilnehmerInnen aus dem gesamten süddeutschen Raum besucht. Dagegen richtet sich seit 2002 antifaschistischer Protest, damals gelang es auch, bisher das einzige Mal die faschistische Mahnwache zu verhindern. Parallel veranstaltet die Stadt eigene Gedenkfeierlichkeiten, seit 2003 ist der 23. Februar offizieller Gedenktag in Pforzheim. An mehreren Orten in der Stadt finden sich Gedenktafeln und Stehlen zur Erinnerung an das Bombardement. Lediglich 2012 veranstaltete ein von der Stadt mitinitiiertes Bündnis eine Kundgebung. Dieses sprach sich gegen „extremistisches Gedankengut“ aus und fügte konsequenterweise ausdrücklich hinzu „egal ob von rechts oder links“.
Städtisches Gedenken und Verdrehung der Geschichte von Rechts
Faschisten greifen die Bombardierung deutscher Städte immer wieder auf, dadurch, dass sie den Fokus ausschließlich auf die deutschen Opfer richten und Tatsachen, wie den von Deutschland losgetretenen Krieg, den Vernichtungsfeldzug im Osten und den industrielle Massenmord an Millionen Menschen ausblenden und bewusst verschweigen, wird das „deutsche Volk“ zum Opfer ausländischer Aggression erklärt. So werden das für die faschistische Ideologie essentielle Konstrukt eines Volkes als Schicksalsgemeinschaft heraufbeschworen und die Folgen und Verbrechen des Faschismus relativiert.
Die Mahnwache der Faschisten in Pforzheim beginnt jährlich um 19.47 Uhr, der Uhrzeit der Bombardierung. Wie der damalige Luftangriff dauert auch die Kundgebug 20 Minuten. Dies und die verwendeten Fackeln zeigen: Es geht ihnen um eine feierliche und pathetische Inszenierung ihres Aufmarsches. In den Publikationen des „Freundeskreis ein Herz für Deutschland“ wird auf offen faschistische Parolen verzichtet. Durch die Eigenbezeichnung als „nationalkonservativ“ versucht dieser, genauso wie durch sein biederes Auftreten, trotz seiner offensichtlichen inhaltlichen und personellen Überschneidung mit der faschistischen Bewegung offen für das rechte bürgerliche Lager zu sein.
Anknüpfungspunkte finden die Faschisten beim offiziellen Gedenken der Stadt. Dieses konzentriert sich fast ausschließlich auf die Bombardierung Pforzheims, beispielsweise wird auf einer von der Stadt aufgestellten Gedenktafel über die Zeit von 1900 bis 1945 lediglich geschrieben, dass sich die feinmechanische Industrie entwickelte. Von der Umstellung dieser auf Rüstungsproduktion, von der Machtübertragung an die Nazi-Faschisten oder dem von Deutschland losgetreten Weltkrieg ist keine Rede. In dem letztjährigen Aufruf, des von der Stadt mitinitiierten Bündnis „Pforzheim Nazifrei“, wird nicht auf Weltkrieg, Faschismus und die Rolle Pforzheims in dieser Zeit eingegangen. Begründet wird die Ablehnung des Nazi-Gedenkens lediglich durch die Feststellung, dass es sich dabei um „Extremisten“ handele.
Dieser bürgerliche Protest ist eine Farce. Ein nachhaltiges Vorgehen gegen Rechts setzt eine Auseinandersetzung mit der Geschichte und der Ideologie des Faschismus voraus. Mehr noch: Wer den Opfern der Bombardierung Pforzheims gedenkt und dabei die zwölf Jahre Geschichte davor vollkommen ausblendet, schafft Anknüpfungspunkte für die Faschisten.
Skandalös ist auch die Politik der Stadt Pforzheim, die in den vergangenen Jahren keinen Versuch unterließ, den Pforzheimer Antifaschistinnen und Antifaschisten Knüppel zwischen die Beine zu werfen. So verbot die Stadt in der jüngsten Vergangenheit immer wieder antifaschistische Demonstrationen, Konzerte, Ausstellungen und Bildungsveranstaltungen oder übte auf das städtische Jugendzentrum solch immensen Druck aus, dass dieses antifaschistische Veranstaltungen absagte. In Erinnerung ist außerdem das unsägliche Vorgehen der Stadt, antifaschistische Demonstrationen und Kundgebungen mit Anmeldegebühren zu belegen.
Was also davon zu halten ist, wenn sich die Stadt Pforzheim inzwischen alibimäßig gegen die Mahnwache der Faschisten und sogenanntem Extremismus ausspricht, müsste offensichtlich sein: Wer von „Extremismus“ spricht, setzt die Faschisten und ihre Gegner gleich und meint damit zudem eigentlich die Linken. Es war schon immer so, dass wer behauptet, zwischen den Stühlen zu sitzen, mindestens zur Hälfte auf dem rechten sitzt. Zumal im Fall der Stadt Pforzheim, die den Faschisten tatsächlich Schützenhilfe gibt, indem sie mit einer solchen Beharrlichkeit und über Jahre hinweg gegen genau die Leute vorgeht, die dem faschistischen Treiben in ihrer Stadt entgegentreten wollen.
Antifaschistische Intervention!
Wir rufen dazu auf, am 23. Februar 2013, den Rechten in Pforzheim mit vielfältigen Mitteln und kreativen Aktionen entgegenzutreten. Denn ebenso wichtig, wie eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Faschismus, ist es, den Nazis nicht die „Straße“ zu überlassen und ihnen offensiv entgegenzutreten.
Den Erfolg antifaschistischen Protests jedoch allein daran zu bewerten, ob ein Naziaufmarsch stattfinden konnte oder nicht, greift zu kurz. Denn wenn Antifaschistinnen und Antifaschisten gegen Nazis auf die Straße gehen, sehen sie sich einem hochgerüsteten und repressiv agierenden Polizeiapparat gegenüber, der es oftmals nahezu unmöglich macht die Aufmärsche der Faschisten zu stoppen. Deswegen ist es notwendig, unsere Aktionsformen kontinuierlich weiterzuentwickeln. Auf der Straße müssen sich verschiedene Formen des zivilen Ungehorsam, wie Blockaden und direkte Aktionen, gegen Nazis ergänzen.
Kein Naziaufmarsch am 23. Februar in Pforzheim!
Die Antifaschistische Aktion aufbauen!
Kasten: Flächenbombardements und imperialistischer Krieg
Zehn Wochen vor der Kapitulation des faschistischen Deutschlands fand der Bombenangriff der britischen „Royal Airforce“ auf Pforzheim statt. Ein Großteil der in der Stadt ansässigen Industrie war in Kleinbetrieben organisiert und in Wohngebiete integriert. Während des Krieges wurden dort hauptsächlich Zünder für Bomben und Granaten hergestellt. Straßen- und Schienenwege, die durch die Stadt führten, dienten damals auch dem Transport von Truppen und Rüstungsgütern. Durch das Bombardement mit Spreng- und Brandbomben wurde fast die gesamte Innenstadt zerstört, etwa 17.600 Menschen fielen diesem Angriff zum Opfer, darunter größtenteils ZivilistInnen. Größere Industrieanlagen außerhalb der Stadt blieben allerdings verschont.
Die Bombardierung Pforzheims war, ebenso wie die Bombardierung zahlreicher anderer deutscher Städte durch die „Royal Airforce“, Teil einer englischen Militärstrategie, die sich auf nächtliche Flächenbombardements auf Stadtzentren konzentrierte, anstatt gezielte Angriffe auf industrielle und militärische Infrastruktur zu forcieren. Die Betonung der angeblich „moralischen Schwächung der Bevölkerung“ (moral bombing) durch diese Kriegshandlungen kann keine zufriedenstellende Antwort auf die Frage nach deren Hintergrund sein. Vielmehr muss auch in diesem Krieg nach den dahinterstehenden ökonomischen und geostrategischen Interessen der beteiligten Mächte gefragt werden – insbesondere wenn dabei eine sozialistische Kraft, wie die Sowjetunion, im Spiel ist, die der grundlegenden Ausrichung imperialistischer Staaten, wie Großbritannien oder den USA, fundamental entgegensteht. Das englische Interesse nach einer offensichtlichen aber ineffektiven Kriegsführung mit viel Zerstörung und wenig kriegsrelevanten Ergebnissen zur möglichst langen Aufreibung der Sowjetunion deutet dabei in eine ähnliche Richtung, wie die enorm verspätete Bildung einer zweiten Front durch die USA.
Das Vorgehen der Westalliierten im zweiten Weltkrieg ist weder als „moralische Heldentat“, noch als „boshafter Vernichtungsschlag“ zu verstehen. Es lässt sich ausschließlich im Rahmen einer Analyse des damaligen Interessengemenge aller beteiligten imperialistischen Staaten verstehen. Fest steht: Die Flächenbombardements im Kampf gegen das faschistische Deutschland, waren eine Reaktion auf den vom deutschen Kapital begonnenen Vernichtungskrieg, sind aber mitnichten ein Kriegsereignis, auf das wir uns heute als Linke und AntifaschistInnen positiv berufen können.
Antifaschistische Demonstration: 15.30h, Pforzheim Hbf
Anschließend Aktionen gegen die Nazimahnwache!
Antifaschistische Linke Achern-Bühl // Gemeinsame Anreise
Antifaschistische Linke Freiburg // 12.45h Freiburg Hbf -Gleis 2 (Abfahrt 13.07h)
Antifaschistische Aktion Heilbronn // Gemeinsame Anreise
Antifaschistische Aktion Lörrach // Gemeinsame Anreise
Antifaschistische Jugend Mannheim / Ludwigshafen // Gemeinsame Busfahrt
Antifaschistische Aktion (Aufbau) Rastatt / Baden-Baden // Gemeinsame Anreise
Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart // 14.45h Stuttgart Hbf – Gleis 7
Antifaschistische Aktion (Aufbau) Tübingen // 13.15h Tübingen Bf, 13.30h Reutlingen Bf
Antifaschistische Aktion [O] Villingen-Schwenningen // Gemeinsame Anreise
Aktuelle Infos zur Mobi aus Tübingen findet Ihr auf der Homepage des Offenen Treffens gegen Faschismus und Rassismus für Tübingen und die Region (OTFR).