Wir dokumentieren hier den Redebeitrag der antifaschistischen Kampagne „Den Widerstand nicht abreißen lassen!“ auf der Bündniskundgebung gegen den Landesparteitag der „AfD“ Baden-Württemberg in Offenburg im März 2023. Er entstand in Diskussion mit allen an der Kampagne beteiligten Gruppen, Initiativen und Parteien.
Hallo an alle,
bevor ich mit unserem Redebeitrag beginne, kurz einige Worte zu uns: Wir sind über 20 verschiedene Gruppen, Initiativen und Parteien, die sich im Vorfeld des heutigen Tages zu einem Bündnis zusammen geschlossen haben. Wir sind Antifaschist:innen, aber gleichzeitig sind wir auch Gewerkschafter:innen, Klimaaktivist:innen, Linke, Kommunist:innen, Anarchist:innen und viele andere mehr. Gemeinsam haben wir vorhin auf der Demonstration einen großen Bereich organisiert. Für diesen Bereich und die Menschen dort sprechen wir. Viele von uns kommen hier aus der Region, andere sind heute Morgen früh aufgestanden, um hier auf die Straße zu gehen. Wir kommen aus Offenburg, der Ortenau, aus Freiburg, Mannheim, Landau in der Pfalz, Pforzheim, Villingen-Schwenningen, Tübingen, Karlsruhe, Stuttgart, Augsburg, München und noch vielen anderen Orten…
Schon 2020 als es um die Proteste und den Widerstand gegen den geplanten AfD-Bundesparteitag hier in der Oberrheinhalle ging, saßen wir in einer ähnlichen Konstellation zusammen – auch und gerade weil eine rechte Großveranstaltung nie das alleinige Problem der Leute sein sollte, die zufällig vor Ort wohnen.
Es ist immer ein Problem, bei dem wir alle gefragt sind!
Für uns stand deswegen außer Frage, dass wir auch 2023 gemeinsam auf die Straße gehen, wenn sich Rechte und Faschist:innen in städtischen Räumen hier in Offenburg treffen. Es gibt sicherlich einiges, was uns trennt, über das wir uns streiten könnten, aber eben auch etwas Gewichtiges, das uns eint und uns heute zusammen demonstrieren lässt:
Die rechte und faschistische Bewegung erstarkt in diesem Land. Und wir erkennen die Notwendigkeit gegen diese Bewegung und ihre Partei – die AfD – spürbaren Widerstand zu leisten!
Wir denken, diese Zeit braucht einen Antifaschismus, der möglichst viele Menschen miteinbezieht und gleichzeitig die Rechten auf vielen Ebenen in der Praxis zurückdrängt.
Wir denken, erfolgreich gegen AfD und Co sind wir nur dann, wenn wir in der Sache geeint den Kampf aufnehmen und gemeinsam und auf Augenhöhe eine breite antifaschistische Bewegung aufbauen! Der Schulterschluss gegen die extreme Rechte ist dringend notwendig.
Jetzt im Jahr 2023 – 10 Jahre nach der Gründung der AfD – müssen wir uns leider eingestehen: Die Befürchtungen sind eingetreten – unsere Warnungen und Prophezeiungen sind längst Realität geworden: Die AfD ist eine etablierte Partei mit allem was dazugehört. Sie verfügen über einen großen organisatorischen Apparat, immense finanzielle Mittel und dem dazugehörigen Einfluss auf unsere Gesellschaft. Gleichzeitig ist der gesellschaftliche Aufschrei ganz schön verhallt – vor allem im Alltag ist der Widerspruch leiser und seltener geworden. In den letzten 10 Jahren konnten wir es erleben was es bedeutet wenn sich der gesellschaftliche Diskurs kontinuierlich nach rechts verschiebt. Es geht längst nicht mehr darum den Rechtsruck zu verhindern – der Rechtsruck ist schon lange da.
Und auch wenn die AfD bisher noch nicht in eigene Regierungsverantwortung gekommen ist, so werden doch gewichtige Teile ihres Programms schon jetzt in die Tat umgesetzt.
Ich denke alle wissen was ich meine:
Rassistische Silvesterdebatte – ertrunkene Menschen im Mittelmeer dank geschlossener Grenzen – menschenverachtende Asylpolitik – schnellere und häufigere Abschiebungen. Aber auch die Bilder aus Lützerath haben wir nicht vergessen, als zu Gunsten der Konzerne der Klimaschutz beerdigt wurde.
Abschottung, Abschiebung, Klimazerstörung, soziale Ungleichheit – das alles ist Teil der AfD-Agenda, wird aber weder von ihr noch von der rechtskonservativen CDU durchgesetzt. Es sind – und so schonungslos ehrlich sollten wir doch sein – die Spitzen von SPD, Grünen und FDP die dieses Land regieren und damit auch für diese Zustände verantwortlich sind. Die AfD hat den anderen bürgerlichen Parteien einen Teil ihre Agenda erfolgreich aufgedrückt. Und die, die gerade regieren lassen sich auch noch gerne davon treiben – in der irren Annahme, dass wenn sie das umsetzen was die Rechten fordern, dass sie ihnen dann die Wähler:innenschaft abgraben würden, während die AfD das ganz entspannt als ihren Erfolg verbucht.
Denn der Erfolg der AfD hat sich eben nicht im luftleeren Raum entwickelt. Natürlich ist Rassismus weit verbreitet und für viele ein Grund die AfD zu wählen. Aber halt auch nicht alle, die Rechts wählen sind Rassist:innen – ganz so einfach ist nicht.
Mit der Agenda2010 wurde von Rot-Grün der Ball so richtig ins Rollen gebracht. Abbau des Sozialstaates, Hartz4 – neuerdings in Bürgergeld um-etikettiert, Wohnraummangel, prekäre Beschäftigung, Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge, und so weiter und so fort.
Und es ist auch die Ampel-Regierung, die mit Aufrüstung und Waffenlieferungen in die Ukraine den Krieg weiter befeuert.
Sicht- und spürbaren Widerstand gegen all das gibt es kaum. Das oftmals sozial-partnerschaftliche Handeln der Gewerkschaftsspitzen erstickt betriebliche Kämpfe für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen oder höhere Löhne viel zu oft im Keim und hinterlässt (zurecht) frustrierte Kolleg:innen. Und das, während die Arbeitgeberseite die Sozialpartnerschaft schon längst einseitig aufgekündigt hat und hemmungslos versucht die mühsam erkämpften Rechte von Arbeiter:innen und Angestellten wieder abzubauen. Aus diesen Zuständen entsteht Angst, Unsicherheit und Perspektivlosigkeit – und auch das ist eben für viele ein Grund rechts zu wählen.
Um es also auf den Punkt zu bringen: Wenn wir die AfD nachhaltig bekämpfen wollen, ist es richtig jedem Treffen der Rechten mit Widerstand zu begegnen. Um jeden Zentimeter Straße, um jede Halle und jede Gaststätte zu kämpfen. Gleichzeitig müssen wir uns aber die Gründe anschauen, warum Menschen auf dem Wahlzettel ihr Kreuzchen bei den Rechten machen:
Weil es den Faschos halt zum Teil auch gelingt, sich als soziale Alternative der kleinen Leute zu inszenieren.
Und natürlich ist es jetzt zu kurz gegriffen – hier nur mit dem Finger zu zeigen. Selbstkritisch müssen wir auch eine generelle Schwäche der Linken mit als wichtigen Grund sehen, weshalb die AfD so viele Menschen anspricht. Wir haben es in den letzten Jahren ebenfalls nicht geschafft, uns glaubhaft gegen soziale Ungerechtigkeit zu positionieren und die Mehrheit der Bevölkerung in ihrer Lebensrealität anzusprechen und abzuholen. Die Antworten auf die drängenden Fragen suchen viel zu viele Menschen aus den unteren Schichten nicht mehr bei uns auf der linken Seite – sondern bei rechten Lügen und Hetze.
Dass die AfD natürlich nicht die Partei der kleinen Leute, sondern das genau Gegenteil ist, brauche ich Euch die ihr heute hier seit aber nicht erzählen. Wofür die AfD steht wisst ihr alle: Kürzung von Sozialprogrammen, Einschnitte im Gesundheits- und Rentensystem, Abschaffung von Arbeitnehmer:innenrechten, ein Frauenbild aus vergangenen Zeiten, Leugnung des menschengemachten Klimawandels und natürlich auch ihren ekelhaften Rassismus.
Kurz um: Für die Menschen, die tatsächlich unter den herrschenden Verhältnissen leiden, haben sie keine Lösungen und keine Alternative. Die AfD ist ein Partei der Reichen – es geht ihr um den Schutz der deutschen Industrie, um die Profite von Konzernen und mittelständigen Unternehmen und den dazugehörigen Eigentümer-Familien.
Auch wenn sie jetzt seit Neuestem versuchen mit Kundgebungen gegen den Krieg zu punkten, ist die AfD selbstverständlich keine Friedenspartei. Die stärkere Aufrüstung der Bundeswehr und die Militarisierung der Gesellschaft sind wesentliche Grundpfeiler ihres Parteiprogramms.
Das ganze polarisiert natürlich – es schafft Sündenböcke – es beschäftigt und es lenkt ab von den eigentlichen Problemen und dem Grund für die Probleme vieler Menschen in Deutschland – nämlich einem Wirtschaftssystem, das die Profite von ganz wenigen über das Wohlergehen aller Menschen stellt.
In Anbetracht dessen den Kopf in den Sand zu stecken, wäre falsch. Gerade jetzt ist antifaschistischer Widerstand gefragt. In Zeiten, in denen die Krisen die der Kapitalismus hervorbringt, immer offener zu Tage treten, in denen steigende Preise, stagnierende Löhne und die Energiekrise die absolute Mehrheit der Menschen mit voller Wucht treffen, reicht es aber nicht, die AfD für ihre rechte Hetze und ihren Rassismus zu kritisieren. Ein wirksamer Antifaschismus muss deutlich machen, dass die Rechten keine Lösungen für die Probleme unserer Zeit haben.
Die Kritik an rechter sogenannter „Sozialpolitik“ muss deswegen immer verknüpft sein mit linken Antworten und Perspektiven.
So sehr wir also auf der einen Seite die Rechten entlarven und ein antifaschistisches Bewusstsein in der Bevölkerung entwickeln und stärken müssen, so entschieden müssen wir auf der anderen Seite die AfD, ihre Strukturen und ihre Repräsentant:innen bekämpfen. Wenn eine Partei nicht in der Lage ist, ungestört in die Öffentlichkeit zu treten oder Schwierigkeiten hat, Infrastruktur zu schaffen, dann hindert sie das ganz konkret an ihrer Arbeit.
Und genau deshalb muss es darum gehen, die Hetzer:innen überall dort, wo sie auftauchen, zurückzudrängen, ihrer Normalisierung entgegenzutreten und ihnen jede Öffentlichkeit zu nehmen. Damit das gelingt, braucht es die praktische Zusammenarbeit aller antifaschistischen Kräfte, die es ernst meinen: Aus linken Gruppen, Initiativen und Parteien, aus den Gewerkschaften, aus den Stadtteilen, aus der antifaschistischen Bewegung, aus der migrantischen Community und vielen anderen. Nur gemeinsam sind wir in der Lage, eine breite und gleichzeitig wirkmächtige Front gegen die AfD aufzubauen. Zusammen und auf Augenhöhe. Dafür gehen wir heute auf die Straße!
Und für uns endet der Tag heute nicht hier an der Messehalle. Weil es uns um die Menschen geht – auch um die Offenburginnen und Offenburger – ziehen wir von hier aus wieder in die Stadt und wollen euch herzlich einladen mitzukommen. So richtig und wichtig es war, hier vor der Oberrheinhalle zu demonstrieren und die Rechten zu konfrontieren, so wenig wollen wir uns hier den Tag die Beine in den Bauch stehen und Sonntagsreden lauschen. Wir denken, wenn sich die Rechten in einer Halle hinter Unmengen an Polizei verschanzen müssen, sollten wir die Gelegenheit und die Öffentlichkeit, die wir heute haben für unsere Sache zu nutzen.
Deswegen ziehen wir von hier aus in die Oststadt und die Innenstadt. Wir wollen mit klaren Positionen lautstark deutlich machen: Die AfD hat in Offenburg keinen Platz.
Schließt euch uns gerne an und kommt alle mit!
Gemeinsam gegen den Faschismus!