3 Jahre Hanau: Niemals vergessen! –
Gemeinsam kämpfen gegen rechten Terror und Rassismus
+++ Sonntag, den 19. Februar 2023, um 15 Uhr auf dem Marktplatz Tübingen +++
Der rassistische Mord an Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin in Hanau jährt sich am 19.02.2023 zum dritten Mal.
Drei Jahre sind vergangen, in denen keine der offenen Fragen wirklich geklärt wurde: Warum war der Notausgang der Arena-Bar verschlossen? Warum war der Notruf nicht erreichbar? Warum kann der Vater des Täters die angehörigen Familien weiterhin bedrohen? Warum wird weiterhin am Mythos der „exzellenten Polizeiarbeit“ festgehalten.
Wir wissen aber: Die Website des Täters mit seinem Bekennerschreiben war Tage vor der Tat online. Mindestens 13 der eingesetzten SEK-Polizist*innen waren Teil extrem rechter Chatgruppen. Statt lückenloser Aufklärung werden die Verstorbenen herabgewürdigt und ihre Angehörigen schikaniert. Sie erhalten rassistische Gefährderansprachen und die Gedenkinitiative 19. Februar wird unter Druck gesetzt. Mit dem Einzeltätermythos werden die Morde entpolitisiert und der notwendige Widerstand gegen Rassismus wird diskreditiert.
Es gibt keine Einzelfälle, wenn der Rassismus System hat!
Hanau war kein unglücklicher Zufall. Es waren nicht einfach nur die falschen Menschen zur falschen Zeit am falschen Ort. Dieser Anschlag ist einer von vielen traurigen Anlässen zu denen deutlich wird, dass Rassismus, der tief in unserer Gesellschaft verwurzelt ist, (schreckliche) reale Konsequenzen hat.
Rassismus ist ein historisch gewachsener Unterdrückungsmechanismus, der seine Wurzeln in der Anhäufung von Kapital durch Überausbeutung und Versklavung im Kolonialismus hat. Auch der Kapitalismus, das System, in dem wir heute leben, stützt sich auf Rassismus. Er braucht immer ein „Oben“ und ein „Unten“ um zu funktionieren. Er profitiert von der Konkurrenz zwischen den Unterdrückten und schürt dort Hass, wo Widerstand entstehen könnte.
Mehrheitlich sind es migrantische Menschen, die in prekären Jobs arbeiten. Es sind Geflüchtete, die an den europäischen Außengrenzen und im Mittelmeer sterben und die abgeschoben werden. Wenn sie es dann doch nach Europa geschafft haben, sind sie es, denen die Schuld am Arbeitsplatzmangel, an der Wohnungsnot oder den fehlenden Kitaplätzen gegeben wird. Das ist praktisch für diejenigen, die durch die Ausbeutung der Lohnabhängigen Klasse im Kapitalismus profitieren. Denn durch Rassismus lässt sich wunderbar davon ablenken, dass Lohndumping, explodierende Mieten und ein mangelhaftes Gesundheits- und Sozialsystem eigentlich Produkte des Kapitalismus mit seinem Drang nach Profit sind. Rassismus verschleiert also die wirkliche Ursache und spaltet dort, wo das Potenzial entsteht, gemeinsam für ein Leben zu kämpfen, in dem die Bedürfnisse von uns Menschen im Vordergrund stehen.
Rassismus tötet!
Die traurigen Höhepunkte rassistischer Gewalt sind die Morde in Hanau, Halle, Hoyerswerda, Rostock, Mölln, Solingen, die Hetzjagd in Chemnitz oder der NSU. Sie alle wurden befeuert durch eben diese rassistischen Erzählungen vom „Arbeitsplatz- und Wohnungsklau“. Sie sind Produkt der Hetze von AfD und Co, sie entstehen aus der polizeilichen und medialen Stigmatisierung von migrantischen Community-Orten wie beispielsweise Shisha-Bars als „gefährliche Orte“, sie sind Zeugnis davon, dass im Kapitalismus migrantisierte Leben weniger wert sind als andere.
Nicht auf diesen Staat vertrauen…
Ein Überlebender des 19. Februar sagte auf einer Kundgebung: „Und da frage ich mich: Wer schützt in diesem Land eigentlich wen?“. Eine mehr als berechtigte Frage, bei einer Polizei und Bundeswehr, die durchseucht ist von Gruppen, die sich auf den „Tag X“ einer rechten Machtübernahme vorbereiten und dafür Waffen und Munition horten.
Rassismus ist Alltag in deutschen Behörden: Mit Rassismus in der Schule, im Asylrecht, rassistischen Kontrollen des öffentlichen Raums und Polizeigewalt wird die Diskriminierung von Migrant*innen aufrecht erhalten. Das verändern wir aber nicht einfach durch „Diversity-Trainigs“ und Reflektion. Denn gerade die Polizei kann nicht einfach ausbrechen aus einem rassistischen System: Es ist vielmehr ihre Aufgabe dieses zu beschützen.
Auf den Staat können wir uns im Kampf gegen Rassismus und Nazis also nicht verlassen. Wirkliche Sicherheit kann es nur geben, wenn wir der Spaltung der Rechten trotzen und uns in Solidarität zusammenschließen um einen antifaschistischen Selbstschutz zu organisieren!
…Gegenmacht von unten bauen!
Überall, wo es Ungerechtigkeit gibt, gibt es aber auch diejenigen, die gemeinsam für ein besseres Leben kämpfen. „Say their names“ ist ein guter Anfang. Die Zeit des Redens ist aber längst vorbei! Lasst uns deshalb gemeinsam kämpfen gegen Nazis und Rassist*innen. Lasst sie uns überall dort, wo sie auftauchen, stören und mit unserem Widerstand konfrontieren. Lasst uns ihre Handlungsspielräume eindämmen und ihnen jede Bühne, die sie bekommen nehmen.
Um Rassismus aber wirklich zu überwinden, müssen wir ihm den Nährboden entziehen, der ihn hervorbringt – deshalb ist unser gemeinsamer Kampf gegen Rassismus immer auch ein Kampf für die Überwindung des Kapitalismus.
Mit den Worten von Ferhat Unvar: „Tot sind wir erst, wenn man uns vergisst.“
Der Schmerz und die Trauer über den Tod der neun Menschen in Hanau hält bis heute an. Deshalb wollen wir am Sonntag, den 19. Februar 2023, um 15 Uhr mit einer Kundgebung auf dem Marktplatz und anschließender Demonstration und Gedenkveranstaltung unsere Trauer und unsere Wut gemeinsam auf die Straße tragen.
Migrantifa Tübingen, Antifaschistischen Aktion Tübingen, Demokratisches Kurdisches Gesellschaftzentrum Reutlingen-Tübingen, Offenes Treffen gegen Faschismus und Rassismus Tübingen und die Region, Women Defend Rojava Tübingen